Rezension || 84 Charing Cross Road | Helene Hanff

by Alexandra Stiller
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Durch Zufall stößt die amerikanische Bühnenschriftstellerin Helene Hanff Ende der vierziger Jahre auf die Adresse eines kleinen Antiquariats in London. Eine neue Quelle für schwer aufzutreibende Bücher? Die Autorin greift zum Stift, ohne zu ahnen, dass diese ersten Zeilen der Beginn einer jahrzehntelangen Brieffreundschaft sind.

“Ich liebe Widmungen auf dem Vorsatz und Randnotizen; ich mag das Gefühl von Verbundenheit, das entsteht, wenn ich Seiten umschlage, die jemand vor mir bereits umblätterte, und Abschnitte lese, auf die jemand, der schon lange nicht mehr lebt, meine Aufmerksamkeit gelenkt hat.” ~ Aus dem Brief von Helene Hanff, 16. April 1951

Die 1917 in Philadelphia geborene Helene Hanff liebt Bücher mit Charme und Vergangenheit und ihre Wunschliste nach besonderen Werken ist lang. Vergeblich macht sie sich nach dem Krieg auf die Suche nach schönen (und bezahlbaren) Exemplaren und wird durch eine Zeitungsanzeige auf das Londoner Antiquariat Marks & Co. Aufmerksam. Am 5. Oktober 1949 schickt sie ihren ersten Brief mit Buchwünschen auf die Reise von New York nach London und ahnt zu diesem Zeitpunkt sicher noch nicht, was sich aus diesem Brief entwickeln würde. Aus dem anfänglich noch sehr sachlichen Kontakt zwischen ihr und dem Mitarbeiter Frank Doel entwickelt sich mit der Zeit eine ganz besondere Freundschaft, in die sich auch weitere Angestellte von Marks & Co. mit einklinken. Eine Brief-Freundschaft, die seinesgleichen sucht… Trotz teilweise sehr langen Zeitabständen zwischen den Briefen haben sie sich nie aus den Augen verloren und stets den Kontakt gepflegt.

1969 brach der Kontakt plötzlich ab und als Helene Hanff die Ursache dafür erfuhr, beschloss sie nur ein Jahr später, ihre Kommunikation mit der Buchhandlung und besonders mit Frank Doel in einem Buch zusammenzufassen. Quasi als eine Hommage an die Freundschaft. Im Jahre 1970 erschien in New York die erste Ausgabe von “84 Charing Cross Road”. Ein Jahr später folgte dann die englische Ausgabe und Helene Hanff begab sich erstmals (!) nach London und besuchte die Familie von Frank Doel. Über 20 Jahre sind seit Beginn ihres Schriftwechsels vergangen und immer wünschte sie sich, einmal selbst in dem Antiquariat stehen zu können, doch leider existierte ihre geliebte Buchhandlung mittlerweile nicht mehr.

1987 wurde das Buch sogar mit Anne Bancroft und Anthony Hopkins unter dem Titel “Zwischen den Zeilen” verfilmt.[Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Zwischen_den_Zeilen2002 – über 31 Jahre später – erschien das Werk dann auch erstmals in Deutschland bei Hoffmann und Campe. Jetzt im Jahr 2014 erlebt es wieder ein Comeback in toller Aufmachung im selbigen Verlagshaus, diesmal unter der Flagge des Atlantik Verlages.

Den Erfolg dieses Buches betrachtete die Helene Hanff selbst mit Verwunderung. “Wer hätte sich einen Film über Geschäftsbriefe vorstellen können!” – so ihre damaligen Worte. Helene Hanff verstarb 1997 in new York, aber sie lebt in ihrem Werk weiter! 160 Seiten umfasst das schmale Büchlein und ist ausschließlich mit der Korrespondenz zwischen Helene Hanff und den Mitarbeiten von Marks & Co. gefüllt. Ein Lesevergnügen der ganz besonderen Art. Heute kann man sich einen Briefwechsel dieser Art kaum noch vorstellen. Vor allem nicht mit diesen Zeitabständen – in unserer mittlerweile sehr, sehr schnelllebigen Zeit unvorstellbar. Das macht doch sehr nachdenklich und der Begriff “Entschleunigung” bekommt beim Lesen dieses Werkes eine ganz besondere Bedeutung. Die Gespräche über die antiquarischen Bücher und Literatur im Allgemeinen fesseln ungemein und ein jeder Buchliebhaber wird hier wahrlich entzückt sein. Es weckt die Lust, selbst wieder einmal ein Buch-Antiquariat aufzusuchen und durch die Regale zu schlendern um diesen ganz besonderen Flair dieser Bücher in sich aufzunehmen.

Kurz & gut – mein persönliches Fazit

Ich erlebte eine zarte, ganz wundervolle Entwicklung einer Freundschaft voller Geben und Nehmen, die fürs Leben ist. Eine Korrespondenz, die beweist, dass ehrliche Freundschaft und Hilfsbereitschaft ganze Kontinente überwinden kann (und das auch ohne Internet ).
Es faszinierte mich, dass hier nichts dazu erfunden wurde, sondern dass diese Briefe so tatsächlich in vergangenen Zeiten zwischen London und New York hin und her pendelten. Dieses Buch berührte mich tief. Ein wahres Lesevergnügen und eine ganz besondere Buchperle. Zudem ist dieses Büchlein in meinen Augen eine perfekte Geschenkidee für Buchliebhaber.

© Rezension: 2014, Alexandra Zylenas

4 comments

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4 comments

Elas Büchertruhe 2. Juni 2014 - 17:22

Hallo Alex,
ich lese es auch gerade (ca. S. 68) und bin auch total begeistert.
Das wird für mich eine der Geschichten, bei denen ich mir wünschte, sie mögen nicht so schnell enden 🙂
LG Ela

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AlexandraBK 3. Juni 2014 - 7:46

Liebe Kora

ja, für mich auch. ich liebe es, Briefe zu schreiben. Auch wenn ich es recht selten mache mittlerweile – aber hin und wieder greife ich doch zum Briefpapier und dann macht es auch sofort richtig Spaß und Freude.
Man sollte das wirklich öfter tun – den es bereitet dem Empfänger ja auch große Freude, gerade in unserer hektischen Zeit, in der wir leben. Es ist einfach so schön persönlich.
Und genau dies habe ich so sehr genossen an dem Buch.

Ganz liebe Grüße!
Alexandra

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AlexandraBK 3. Juni 2014 - 7:47

Liebe Ela
da hast du vollkommen recht – ich hätte diesen Briefwechsel ewig weiterlesen können. Es war einfach schön, diese Entwicklung der Freundschaft über eine solch große Distanz (vor allem für die damalige Zeit) zu erleben.
Weiterhin viel Freude beim Lesen!

Liebe Grüße, Alexandra

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Kora 19. Mai 2015 - 7:04

Schön hast du deinen Eindruck formuliert, liebe Alexandra, und damit gleichzeitig eine Einladung ausgesprochen, vielleicht doch wieder einmal zu Stift und Papier zu greifen. Denn auch heute noch sind Briefe trotz oder wegen ihrer “Rarität” (für mich) etwas richtig Tolles.

Digital abgestempelte Grüße an euer Bücherkaffee!
Kora

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