Aufgelesen #3 | Gänsehaut, wie sie im Buche steht [1/3]

by Wolfgang Brandner
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AUFGELESEN #3

Liebe Leserin, lieber Leser – hast Du schon Angst, fürchtest Du Dich schon?
Nein?
Solltest Du aber, die Welt steht nämlich unmittelbar vor dem Kollaps.

Wir werden nämlich von Terroristen entführt und erschossen, die – streng geheim natürlich – in Verbindung stehen mit offiziellen Organisationen, die all unsere Bewegungen überwachen, unsere Gewohnheiten kennen und unseren Gesundheitszustand auf Jahre voraus berechnen können. Aber keine Sorge, das alles passiert natürlich nur, wenn nicht zuvor das globale Klima kollabiert und wir entweder unter einer Dürreperiode verhungern oder aufgrund steigender Meeresspiegel von einer Riesenwelle verschlungen werden. Und selbst einer solchen Katastrophe könnten immer noch außerirdische Wesen zuvorkommen, die eine freundliche Kontaktaufnahme gründlich missverstehen und uns entweder versklaven oder zu Versuchszwecken auf ihren Lichtjahre entfernten Heimatplaneten entführen.

Aber beginnen wir ganz langsam.
Das Gefühl der Angst ist uns wohl allen vertraut. Wikipedia definiert sie als “…ein Grundgefühl, welches sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert.” Es handelt sich also um die geistige Vorwegnahme einer unvorteilhaften Lage mit dem Zweck, uns auf diese einzustellen und deren schädliche Konsequenzen zu minimieren. Ihr Gegenteil ist die Hoffnung. Beiden gemeinsam ist, daß der Eintritt der erwarteten Situation nicht sicher, sondern wahrscheinlich ist.

Eine zentrale Angst ist jene vor dem Verlust der Kontrolle, davor, einem fremden Willen oder unbeherrschbaren Umständen ausgeliefert zu sein. Einen solchen Kontrollverlust können unbekannte Technologien mit sich bringen, Menschen, deren kultureller Hintergrund uns nicht zugänglich ist oder aber auch die Urgewalten der Natur, die sich uns trotz aller Bemühungen, sie zu bezähmen, als uns überlegen erweisen.

Das Unbehagen angesichts des sogenannten technischen Fortschritts ist nicht neu. Schon der steirische Dichter Peter Rosegger (1843 – 1918) schildert in der Erzählung “Als ich das erste mal auf dem Dampfwagen saß” den Anblick des ihm unbekannten Wesens Eisenbahn folgendermaßen:

“Auf der eisernen Straße heran kam ein kohlschwarzes Wesen. Es schien anfangs stillzustehen, wurde aber immer größer und nahte mit mächtigem Schnauben und Plustern und stieß aus dem Rachen gewaltigen Dampf aus.”

Der deutsche Dichter Georg Heym (1887 – 1912) verschiebt die Urbanisierung im Rahmen der industriellen Revolution ins Metaphyische, wenn er in seinem Gedicht “Der Gott der Stadt” den vorchristlich als Wetter- und Fruchtbarkeitsgott verehrten Baal als Herrscher der Fabriken beschwört:

“Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik
Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.”

Können wir den Menschen der damaligen Zeit aufgrund derart drastischer Wortbilder vorsintflutliches Denken oder übertriebene Technikskepsis vorwerfen? Gewiß nicht, denn auch unsere Zeit birgt Keime für Technolgien, deren Konsequenzen erst in ferner Zukunft berühren werden. Denken wir an die Gentechnologie, die bereits Michael Crichton in “Jurassic Park” (erstveröffentlicht unter “Dino Park”) dazu nutzte, urzeitliche Monster wiederauferstehen zu lassen. Mittlerweile ist das Bedrohungsszenario weitaus subtiler geworden, anstatt einzelner Ungetüme – die darüberhinaus ein schwer zu verfehlendes Angriffsziel darstellen – werden wir nun von gegnerischen Horden in Schwarmstärke bedroht. Das Individuum zählt nichts, ist leicht ersetzbar, die Stärke liegt in der Überzahl. Die Mechanismen zur Steuerung und Koordination werden direkt von den Vorbildern aus der Natur, etwa Fisch- oder Insektenschwärmen übernommen. und in Form billiger Steuerungschips für Drohnen implementiert.

Als Pulsmesser der Zeit erweist sich hier Daniel Suarez, in dessen furchterregend aktuellem

Roman “Kill Decision” just die titelgebende Entscheidung langsam auf die Schwarmintelligenz ausgelagert wird: Unter welchen Umständen wird ein Ziel als Bedrohung eingestuft und soll getötet werden?

Einer ähnliche Wandlung war auch das Computernetzwerk “Skynet” im Verlauf der Geschichte der “Terminator“-Filme unterworfen. Handelte es sich zur Entstehung des ersten Teils noch um einen Großrechner mit unvorstellbarer Rechenleistung, so wird es in der dritten Folge bereits als ein auf die ganze Welt verteiltes dezentrales Netzwerk mit vergleichsweise schwachen einzelnen Knoten, die dem digitalen Monstrum jedoch zu überlegener bösartiger Intelligenz verhelfen, dargestellt. Konsequenterweise gibt es auch keinen einzelnen Stecker geben, der gezogen werden kann, der Feind ist somit viel schwerer zu besiegen.

 

(… Fortsetzung folgt am 15.09. …)

Freudiges Weiterlesen!

© Wolfgang Brandner

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