Rezension: Die mir den Tod wünschen | Michael Koryta

by Wolfgang Brandner
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Wem kannst du noch trauen, wenn dich alle verraten haben?

 

 

Der vierzehnjährige Jace wird unerwartet Zeuge eines brutalen Mordes. Er kann entkommen, wird aber von den Mördern gesehen. Unter neuer Identität soll Jace in Montana Zuflucht finden. Ethan Serbin, ein erfahrener Überlebensspezialist, steht ihm in der gnadenlosen Bergwelt zur Seite. Derweil kreisen die Killer ihre Opfer immer weiter ein. Für Ethan und Jace beginnt ein furioser Kampf ums Überleben … [Text + Cover: Random House Audio]

Man nehme einen jugendlichen Helden, lasse ihn zufällig einen Mord beobachten, verstecke ihn im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms im Nirgendwo zwischen vielen Bergen und Bäumen und setze die eiskalten Killer wie Bluthunde auf seine Fährte. So lautet die Bastelanleitung, aus dem sich relativ einfach ein hochspannender Plot konstruieren läßt und der bereits etliche Regisseure für ihre Filme gefolgt sind.
Wie sich anhand etwa von “Cliffhanger”, “Am wilden Fluß” oder “Auf Messers Schneide” beobachten läßt, können Anzahl, Motivation und Ausrüstung der Gegner, Umgebung und Jahreszeit oder die Figur des Protagonisten frei variiert werden. Solange die Gefahr sowohl von den Verfolgern, als auch von der urtümlich-unwirtlichen Umgebung droht, sollte dem Rezipienten keinen Augenblick langweilig werden.

Auch der aktuelle Roman folgt diesem bewährten Schema. Unter falschem Namen nimmt der vierzehnjährige Jace an einer mehrtägigen Wanderung teil, im Zuge derer perspektivenlose Jugendliche aus ihrer urbanen Umgebung herausgerissen und mit einer Extremsituation konfrontiert werden. Unter fachkundiger Anleitung des versierten ehemaligen Navy-Ausbildners Ethan Serbin werden sie in den elementaren Gesetzen der Natur unterwiesen und hinterfragen ihre eigenen Prioritäten umso intensiver, je näher sie dem Zustand der körperlichen Erschöpfung kommen. Der Autor nähert sich seinem Thema mit der ehrfürchtigen Faszination eines Abenteurers, der die Witterung in den Bergen nicht nur aus Hochglanzbildbänden kennt.

Konsequenterweise bietet der Roman neben der Unterhaltungs- auch noch eine nicht zu verachtende Lernkomponente, er vermittelt Wissen, das man tatsächlich in entsprechenden Situationen anwenden könnte.

Wichtiger als alles andere beim Überleben in der Wildnis, sogar noch als der erste Tropfen Wasser, ist zunächst eine positive Grundeinstellung, der eiserne Wille zum Durchhalten. Erst mit diesem mentalen Rüstzeug ausgestattet, darf man sich an den nächsten Schritt, die Suche nach einem Unterschlupf wagen. Aber welche materiellen Prioritäten gelten abgesehen davon? Wie soll man sich erst einmal verhalten, wenn man sich verirrt hat? Um die weitere Marschrichtung zu bestimmen, konstruiert man sich einen provisorischen Kompaß und richtet ihn nach dem Stand der Sonne aus. Wenn man sich schließlich wieder in Bewegung gesetzt hat, wie vermeidet man unerwünschten Kontakt mit Bären? Und wenn die Nacht hereinbricht, wie geht man möglichst geschickt bei der Errichtung eines provisorischen Lagers vor? Ohne den Hauptzweck der Erzählung aus den Augen zu verlieren, wagt der Autor mit dem Leser immer wieder kleine informative Exkurse, sodass schließlich das Gefühl verbleibt, um praktisch anwendbares Wissen bereichert worden zu sein.

Die Gefahr, sich im Dickicht der Theorie zu verheddern, besteht dabei gar nicht. Wie von selbst nimmt die Erzählung immer wieder an Tempo auf, wenn die Verfolger in seelenloser Effizienz die Spur wittern. Die Spannung entsteht dabei ebenso automatisch durch die beklemmende Situation, nicht nur gegen menschliche Gegner, sondern auch gegen die natürlichen Gegebenheiten ankämpfen zu müssen. Und weder die einen, noch die anderen erweisen sich dabei als sonderlich verhandlungsbereit.

In der Hörbuchfassung versteht es Uve Teschner, den Roman noch zu veredeln. Als Antagonisten fungiert hier ein Brüderpaar, das in seinem täuschend harmlosen Auftreten und den eigenwilligen Unterhaltungen an Mr Wint und Mr Kidd, den Mördern aus dem James Bond-Film “Diamantenfieber” erinnern. Sie setzen sich über alle Gesetze hinweg, sie wiegen ihre Opfer in trügerische Sicherheit, um schließlich mit umso brutalerer Grausamkeit ihr tödliches Werk zu verrichten. Teschner verleiht ihnen eine singsangartige Sprachmelodie, um die berühmte Banalität des Bösen noch besser hervorzuheben.

 

PERSÖNLICHES FAZIT

“Die mir den Tod wünschen” bietet solide Spannung in einem Survival-Setting, wie es aus zahlreichen Filmen und “MacGyver”-Episoden bekannt ist. In der Hörbuchfassung versteht es Uve Teschner, den Roman noch zu veredeln.

© Rezension: 2016, Wolfgang Brandner

 

Die mir den Tod wünschen
Michael Koryta (Aus dem Amerikanischen von Ulrike Clewing)
Random House Audio - ISBN: 9783837133721
Hörbuch, gekürzt, mp3-CD, ca. 539 Minuten, gelesen von Uve Teschner
2 comments

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2 comments

Silvia Borowski 4. Juni 2016 - 16:11

Hallo Wolfgang,

ja, ich kommentiere hin und wieder sehr gerne. Ich finde es nur gerecht, wenn wir quasi als Dank applaudieren. Also lieben Dank für deine Rezension zum Buch. Diese habe ich aufmerksam gelesen, da ich genau dieses Buch, meinem Mann, zum 29.Hochzeitstag geschenkt habe.
Ich ließ mich in meiner Buchhandlung beraten und mir wurde da bestätigt, dass es auch gerne von Männern gekauft wird. Hier bekomme ich es von dir bestätigt und deine Resonanz ist ja auch eher positiv. Das freut mich doch sehr.
Nun wird es für mich nur interessant, ob Uwe das Buch genauso unterhaltend fand, wie du das Hörbuch. Er wird es aber zuerst lesen müssen. 😉

Wünsche dir und dem gesamten Team noch einen netten Samstag Abend und einen schönen Sonntag.
Liebe Grüße, Silvia B. aus B.

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WolfgangB 9. Juni 2016 - 19:37

Liebe Silvia,
spät aber doch, vielen Dank für Deine Rückmeldung zu meinen Gedanken zum Buch.
Ohne Deinen Mann zu kennen, halte ich diesen Roman für ein grandioses Geschenk: Er hat alles, was man – wenn man jetzt mit den Klischees spielen will – sich von einer Actiongeschichte für Männer erwarten will: unheimlich kalte Gegenspieler, geerdete Helden und vor allem: das Überleben in der Wildnis. Mehr Testosteron zwischen zwei Buchdeckeln ist kaum möglich.
Einige Passagen waren mir beinahe etwas zu kurz, aber das mag daran liegen, daß die Hörbuchfassung auch eine gekürzte war. Wenn Du also Deinen Gatten ins literarische Gebirge schicken willst, wird er das sicher über einige Stunden auskosten.

Ich wünsche euch beiden viel Spannung damit – und vor allem: Alles Gute zum Hochzeitstag!

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